ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels

ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels



Physik-News vom 14.09.2023

Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronominnen und Astronomen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns. Dieses mysteriöse Objekt ist dafür bekannt, dass es fast ständig zwischen zwei Helligkeitszuständen wechselt, was bis jetzt ein Rätsel war. Wie Astronominnen und Astronomen nun herausgefunden haben, sind plötzliche Materieauswürfe des Pulsars in sehr kurzen Zeiträumen für diese seltsamen Wechsel verantwortlich.

„Wir haben außergewöhnliche kosmische Ereignisse registriert. Dabei werden enorme Mengen an Materie ähnlich wie kosmische Kanonenkugeln innerhalb von einigen zehn Sekunden, also einem sehr kurzen Zeitraum, von einem kleinen, dichten Himmelsobjekt, das mit unglaublich hoher Geschwindigkeit rotiert, ins Weltall geschleudert“, erklärt Erstautorin Maria Cristina Baglio, Forscherin an der New York University Abu Dhabi, die auch dem Italienischen Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) angehört.


Künstlerische Darstellung des Pulsars PSR J1023+0038.

Publikation:


M. C. Baglio et al.
Matter ejections behind the highs and lows of the transitional millisecond pulsar PSR J1023+0038
Astronomy & Astrophysics (2023)

DOI: 10.1051/0004-6361/202346418



Ein Pulsar ist ein schnell rotierender, magnetischer, toter Stern, der einen Strahl elektromagnetischer Strahlung ins Weltall aussendet. Während er rotiert, überstreicht dieser Strahl den Kosmos – ähnlich wie der Lichtkegel eines Leuchtturms, der seine Umgebung abtastet – und kann entdeckt werden, wenn er die Sichtlinie zur Erde kreuzt. Dadurch scheint der Stern von unserem Heimatplaneten aus gesehen in seiner Helligkeit zu pulsieren.

PSR J1023+0038, oder kurz J1023, ist eine besondere Art von Pulsar mit einem eigenartigen Verhalten. Er befindet sich in etwa 4500 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Sextant und umkreist einen anderen Stern in einer engen Umlaufbahn. In den letzten zehn Jahren hat der Pulsar seinem Begleiter ständig Materie entzogen, die sich in einer Scheibe um den Pulsar ansammelt und langsam auf ihn herabfällt.

Seit Beginn dieser Materieansammlung ist der Strahl des Pulsars praktisch verschwunden und der Pulsar hat begonnen, unaufhörlich zwischen zwei Modi zu wechseln. Im „aktiven“ Modus strahlt der Pulsar helles Röntgenlicht, ultraviolettes und sichtbares Licht ab, während er im „passiven“ Modus bei diesen Frequenzen schwächer ist und mehr Radiowellen aussendet. Der Pulsar kann in jedem Modus mehrere Sekunden oder Minuten lang verweilen und dann innerhalb weniger Sekunden in den anderen Modus wechseln. Dieses Umschalten hat Forschende bisher vor ein Rätsel gestellt.

„An unserer einzigartigen Beobachtungskampagne zur Untersuchung des Verhaltens dieses Pulsars waren ein Dutzend modernster bodengebundener und weltraumbasierter Teleskope beteiligt“, erzählt Francesco Coti Zelati, Forscher am Institut für Weltraumwissenschaften in Barcelona in Spanien und Mitautor der Studie. An der Messreihe beteiligten sich das Very Large Telescope (VLT) und das New Technology Telescope (NTT) der ESO, die sichtbares und nahinfrarotes Licht erfassen, sowie das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), an dem die ESO beteiligt ist. In zwei Nächten im Juni 2021 beobachteten sie, wie das System über 280 Mal zwischen seinem aktiven und passiven Modus wechselte.

„Wir haben festgestellt, dass das Umschalten zwischen den Modi auf ein kompliziertes Zusammenspiel zurückzuführen ist, und zwar zwischen dem Pulsarwind, einem Strom hochenergetischer Teilchen, die vom Pulsar weggeblasen werden, und der Materie, die auf den Pulsar zuströmt“, erläutert Coti Zelati, der auch zum INAF gehört.

Im passiven Modus wird die zum Pulsar fließende Materie in einem schmalen Strom rechtwinklig zur Scheibe ausgestoßen. Nach und nach sammelt sich diese Materie immer mehr in der Nähe des Pulsars an und wird dabei vom Wind des pulsierenden Sterns getroffen, wodurch sich die Materie aufheizt. Das System befindet sich nun in einem aktiven Modus und leuchtet hell im Röntgen-, Ultraviolett- und sichtbaren Licht. Schließlich werden Teile dieser heißen Materie durch den Pulsar über den Strom entfernt. Mit weniger heißer Materie in der Scheibe leuchtet das System schwächer und schaltet zurück in den passiven Modus.

Obwohl diese Entdeckung das Rätsel um das seltsame Verhalten von J1023 aufgelöst hat, haben Astronominnen und Astronomen noch viel aus der Erforschung dieses einzigartigen Systems zu lernen. Die Teleskope der ESO werden ihnen auch weiterhin bei der Beobachtung dieses seltsamen Pulsars helfen. Insbesondere das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in Chile gebaut wird, gewährt einen noch nie dagewesenen Blick auf die Mechanismen von J1023. „Das ELT wird uns wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie die Menge, die Verteilung, die Dynamik und die Energetik der einströmenden Materie um den Pulsar durch das Umschaltverhalten beeinflusst werden“, schließt Sergio Campana, Forschungsdirektor am INAF-Observatorium Brera und Mitautor der Studie.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Astronomie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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